Sonntag, 28. Februar 2010

Stadtrundgang Teil 1

Nach 11 Stunden Schlaf war ich theoretisch munter, aber ich hatte so was von überhaupt keine Motivation aufzustehen, dass ich noch weitere 4 Stunden im Halbschlaf döste. Was erwartete mich schon da draußen? Leute, die ich nicht verstehe. Ich musste dringend Wasser kaufen, weil das Leitungswasser hier nicht gesund ist. Obst und Gemüse konnte ich nicht kaufen, weil dafür keine Saison war, Sport konnte ich nicht machen, weil hier alles nur aus viel befahrenen Straßen besteht. Was sehnte ich mich nach meinen Samstagmorgen-Problemen zu hause zurück, wo es lediglich darum ging, zu entscheiden, ob wir bei Starbucks frühstücken wollen oder zu Hause. Wo ich meinen gesunden Lebensstil führen und gut zu meiner Umwelt sein konnte. Aber so ist das nun mal, wenn man aus seiner Kompfortzone unbedingt raus will, muss man Abstriche machen. Ich hab’s doch gewollt, das Abenteuer, wo ich nicht genau wusste, was auf mich zukam. Fremdes Land, fremde Kultur, fremde Sprache… Wenn ich das alles bewältigt haben würde, würde ich rückblickend über meine Ängste nur lachen können. Also erhob ich mich gegen 12Uhr schweren Herzens aus dem Bett, schaute aus dem Fenster und wurde mit einem tollen Bergpanorama belohnt, das in der Sonne strahlte. Zum Frühstück hatte ich einen Joghurt und dann gings mit Stadtplan los Richtung Fußgängerzone in der Innenstadt. Obwohl mir die kyrillischen Buchstaben im Grunde bekannt waren, kam ich mir vor wie ein Analphabet. An jeder Straßenecke musste ich stehenbleiben und Buchstabe für Buchstabe einzeln entziffern, bevor ich das Wort zusammensetzen und mit meinem Stadtplan vergleichen konnte. Natürlich versuchte ich auch jedes Plakat zu entziffern und jede Ladenbezeichnung herauszufinden. Manchmal waren es internationale Bezeichnungen nur eben anders geschrieben. Da freute ich mich dann wie ein Schneekönig, dass ich herausgefunden hatte, dass hier eine Apotheke war, dort ein Supermarkt, ein Optiker oder ein Internetcafe. Die Straßen sind hier alle schnurgerade und führen von Süd nach Nord oder von Ost nach West. Und auf ihrer gesamten Länge haben sie immer die gleiche Bezeichnung. Das machte es recht einfach, sich hier zurecht zu finden. Alles andere als einfach dagegen war die Bewältigung der Fußwege. Eine Bergtour hätte nicht gefährlicher sein können. Löcher, Gräben, offene Kanaldeckel und Schlammflüsse ließen wenig Spielraum, mal den Blick geradeaus zu richten. Aber selbst dann hätte man nur dreckige, verkommene, graue Häuser gesehen. Streunende Hunde, Müllberge, Schutthaufen, alles lieblos und schmucklos. Es sieht aus, wie die meisten es von ärmlichen Ostblock-Vorstädten kennen. Ich habe kein einziges Foto geschossen.
Die Menschen allerdings, die hier zusammen mit mir die Fußwege frequentierten, waren fast durchweg jung und schick angezogen. Die jungen Frauen natürlich mit den obligatorischen hohen, schmalen Absätzen und viel Fell. Und obwohl die meisten einen unverkennbaren asiatischen Touch haben, wurde ich kein bisschen angestarrt. In Almaty treffen sich so viele unterschiedliche Nationen, dass man wohl alles schon mal gesehen hat. Offensichtlich passte ich hier so gut ins Stadtbild, dass ich im weiteren Verlauf 2 mal von Leuten angesprochen wurde, die wahrscheinlich nach dem Weg fragen wollten. Obwohl ich mir Sätze wie „Ich spreche kein Russisch“ sorgsam zurechtgelegt hatte, konnte ich nur mit einem panischen Gesichtsausdruck reagieren und „Sorry“ brummeln. Was fragen die auch gerade MICH?
Ich bin offensichtlich an einer der Hauptverkehrsstraßen entlang spaziert. Der Autostrom war unglaublich und riss einfach nicht ab. Spuren gibt es nicht, also fahren die Autos mal zu zweit, mal zu dritt nebeneinander, je nach dem wie breit die Straße gerade war, ob Gegenverkehr kam, wie groß die Löcher und Huckel auf der Straße waren oder wie lieb man sein Auto hatte. An jeder Kreuzung befand sich eine Ampel. Meistens wurde durch Sekundenanzeige mitgeteilt, für wie lange man noch rot bzw. grün hatte. Dies veranlasste einige Autos dazu, schon einige Sekunden vor dem Grünwerden loszufahren. Und überhaupt gab es keine Übergangsphase zwischen grün und rot, d.h. wird es für die einen rot, haben die anderen im selben Augenblick grün. Gerade für mich als Fußgänger war das immer ein Abenteuer, wenn mitten auf der Straße die Ampel umsprang, konnte ich damit rechnen, dass die Autos auch sofort losfuhren. Also ein gelegentlicher Sprint musste immer drin sein.
Am Anfang der Fußgängerzone befand sich ein Markt, auf dem vor allem Obst, Gemüse und Fleisch verkauft wurde. Da ich mich nicht im Stande fühlte, um ein paar Bananen zu feilschen, spazierte ich nur umher. Das Fleisch wurde, wie das Obst, einfach auf Tischen dargeboten, ohne Kühlung und ohne Abdeckung. Ganze Vögel mit abgetrennten Köpfen, genauso wie große Fleischteile von irgendeinem Gradfresser, die von 2 Männern hinter dem Stand auf einem Holzklotz mit einem Beil in „handliche Stücke“ geschlagen wurden. Zum Glück war keiner von den Verkäufern aufdringlich und so traute ich mich, immer mal wieder einen Blick zu riskieren. Wie das so ist bei Fleisch, das eine Weile offen herum liegt, war es an den Ecken bereits trocken und wellig. Aber irgendwie trotzdem noch begehrte Ware.
Ich ging weiter durch eine kleine Mall mit teuren Läden und war eigentlich auf der Suche nach einem Supermarkt, denn dort könnte ich vielleicht Bananen ohne Feilschen kaufen und vor allem Wasser. Die Wege Richtung Süden, also zurück zu meinem Hotel gehen alle Bergauf, weil ja hinter dem Hotel die Berge anfingen. Also wurde mir beim „Aufstieg“ entsprechend warm. Es waren hier schätzungsweise 7 oder 8 Grad, wirklich angenehm. Beim erstbesten Supermarkt kehrte ich ein und weil ich es nicht mehr weit bis zum Hotel wähnte, kaufte ich eine 5-Liter-Flasche Wasser, Kirschsaft, 6 kleine Mohnbrötchen und Almette für ca. 4 Euro, wobei Almette alleine schon 2 Euro gekostet hatte. Die Bananen und das andere Obst in diesem Supermarkt sahen so ungenießbar aus, dass ich darauf verzichten musste. Wo sollte ich jetzt bloß meine Vitamine herbekommen? Und so langsam fühlte ich mich auch immer kranker mit geschwollenen Lymphknoten und diesen Schweißausbrüchen, die aber auch vom mageren Frühstück kommen konnten. Der Rückweg zog sich eine ganze Weile hin und auch wenn es hier offensichtlich üblich ist, sich an den Straßenrand zu stellen und die Hand rauszuhalten, um gegen Geld mitgenommen zu werden, fühlte ich mich auch dazu nicht imstande und marschierte keuchend gen Hotel.
Kochledergar und fix&fertig kam ich dort an und machte mich wie ein Wolf über die Mohnbrötchen mit Almette her. Und ziemlich deprimiert überlegte ich, wie ich die 3 Monate hier überstehen sollte.
Der Tag nahm eine erfreuliche Wende, als ich abends von Heikos Familie zum Abendessen eingeladen wurde. Da ich kurz mein Obst-Problem erwähnt hatte, machte mir Wiebke, Heikos Frau, das Angebot, mit mir zusammen auf den „Green Basar“ zu gehen. Und tatsächlich, dort gab es plötzlich alles, was ich brauchte. Mandarinen, Äpfel, Bananen und überall standen Preise dran. Wiebkes Russisch ist inzwischen ganz gut und da merkte ich auch, wie herzlich die Leute hier sind. Jeder verwickelte uns bzw. Wiebke, ich stand nur doof daneben, in ein Gespräch, wo wir denn herkämen und was wir hier täten. Die Leute lächelten, waren interessiert und aufgeschlossen und es hat wirklich Spaß gemacht, hier einkaufen zu gehen. Also, erste Aufgabe für mich: unbedingt Russisch-Unterricht nehmen. Ich war auf einmal so versöhnt mit der Stadt und richtig euphorisch. Danach gingen wir in ein Amerikanisches Restaurant, aßen Burger und dressierten zu dritt den Sack Flöhe, bestehend aus Magnus, 4 und Jana, 1, Heikos Kindern.

Samstag, 27. Februar 2010

Ankunft in Almaty

Der Flug startete 23Uhr Ortszeit in Istanbul und sollte 5,5 Stunden dauern. Allerdings war es da in Almaty schon 8:30Uhr. Ich habe meine ohnehin kurze Nacht so gut wie schlaflos verbracht. Diesmal war die Business Class fast ausgebucht, aber wir hatten nur 1 Stewardess für uns und der Abstand der Sitze kam mir kleiner vor als beim ersten Flug. Zu allem Überfluss saß in meiner Reihe die russische Familie, die mir durch die lautstark rumkrakeelende 3jährige schon am Flughafen aufgefallen war. D. h. eigentlich saß in meiner Reihe nur die Mutter mit den Kindern. Der Vater saß eine Reihe dahinter. Sie war bestimmt nicht älter als ich, ziemlich dünn&zerbrechlich, er ein fetter älterer Sack, der es sich offensichtlich leisten konnte, für alle Business Class zu bezahlen. Argwöhnisch betrachtete ich aus den Augenwinkeln, wie wiederum alle Flugsicherheitsstandards missachtet wurden: 3 Taschen hatte die junge Frau auf und vor den Sitzen verteilt, die 3jährige sprang auf dem Sitz herum und plärrte und das zweite Kind, ca. ein halbes Jahr alt, saß die ganze Zeit auf ihrem Arm. Den Stewardessen war es offensichtlich auch egal, ob alle angeschnallt waren. Nach einer Weile aber legte sich mein Groll, als ich bemerkte, dass der Vater sich den ganzen Flug über kein bisschen um seine Familie kümmerte. Die junge Frau hatte alle Hände voll zu tun. Einhändig rührte sie dem Baby sein Fläschchen an, während die ältere Faxen auf dem Sitz machte, versorgte sie mit Spielzeug, legte ihr Kissen zurecht usw. Zum Glück war das Baby ruhig, schien nur aus riesengroßen Kulleraugen zu bestehen, von Müdigkeit keine Spur. Als die 3jährige eingenickt war, schunkelte sie auch das Baby in den Schlaf, allerdings mit soviel Schwung, dass mir an dessen Stelle schlecht geworden wär. Dann schliefen beide Kinder auf den Sitzen und sie kam auf meine Seite rüber, um einen Happen zu essen. Hunger hatte ich keinen, aber neugierig war ich doch aufs Essen, jedoch ähnelte es dem aus dem ersten Flug. Noch bevor sie aufgegessen hatte, schrie die 3jährige im Schlaf und wachte heulend auf. Also sprang sie rüber, nahm das Baby wieder auf den Arm und beruhigte sie. Und so ging das die ganze Nacht durch. Immerwieder wachte die Ältere schreiend auf und immer wieder wurde sie getröstet. Ich hatte soviel Mitleid mit der Mutter. Keiner half ihr. Die Stewardessen ignorierten die Kinder und der Vater schlief so unbeteiligt, dass ich Zweifel hatte, ob er überhaupt dazu gehörte. Aber ich wagte es nicht, meine Hilfe anzubieten, da ich ja erstens nun auch nicht gerade Baby-Erfahrung hab und ich auch Angst hatte, dass sie Ärger bekommt, wenn sie sich helfen lässt. Sie stand so unter Strom und war dabei aber immer total lieb zu ihren Kindern. Ich fand es unfassbar, wie alleine sie dastand. Offensichtlich ist es in diesen Kulturkreisen üblich, dass sich nur die Frauen um die Kinder kümmern und die Männer keinen Anlass sehen, einzugreifen. Nicht mal in besonderen Situationen wie einem anstrengenden Flug. Ich meine, er hätte doch wenigstens das Baby-Fläscchen anrühren können. Oder sich auch einfach mal mit der größeren Tochter beschäftigen, während seine Frau das Baby füttert. Letztendlich schlief sie mit dem Baby auf dem Arm ein wenig, aber pünktlich zum Landeanflug wurde sie geweckt, weil sie sich jetzt doch anschnallen sollte…
Ziemlich zerstört kam ich in Almaty an, passierte die Passkontrolle, wartete voller Bangen auf meine Taschen, die alle unbeschadet ankamen und wurde dann von meinem hiesigen neuen Chef Heiko abgeholt.
Zwischenstop im Hotel zum Umziehen und schon war ich im Büro, wurde allen vorgestellt und fing an zu arbeiten. Ich hatte zwar die Option, jederzeit ins Hotel gefahren werden zu können. Aber die Müdigkeit überkam mich nur phasenweise. Zum Mittagessen war ich mit Heiko und seiner Familie irgendwo essen, wo ich mich für ein Gericht aus Reis, Möhren und Fleisch entschied. Klingt gar nicht so schlimm. Man muss aber wissen, dass der Reis hier in Öl gekocht wird und entsprechend trieft und die Möhren waren vom Fleisch teilweise nicht zu unterscheiden, außer, wenn man auf Knochen biss.
Danach war ich wieder etwas fitter und arbeitete bis 19Uhr. Da war dann die Müdigkeit so groß, dass man es schon gar nicht mehr mitbekommt. Noch ein kurzer Zwischenstop im Supermarkt, in dem es zwar kein ansehnliches Obst und Gemüse gibt, aber deutsche saure Gurken. Ich habe ehrlich Sorgen, wie ich mich in den nächsten 3 Monaten gesund ernähren soll, wenn ich kein frisches Obst bekomme. Das hat erst in 2 Monaten Saison und so lange gibt es die Vorräte aus dem letzten Jahr, die auch entsprechend aussehen. Eine Fitness-Studio-Mitgliedschaft kostet hier umgerechnet 200Euro im Monat und joggen kann man hier eigentlich auch nicht. Die nächsten 3 Monate wird meine Flexibilität und Anpassungsfähigkeit auf eine harte Probe gestellt werden.

Freitag, 26. Februar 2010

Abenteuer Istanbul

Meinen Donnerstagabend habe ich also auf dem Flughafen von Istanbul verbracht. Ich wollte mir eine gemütliche Ecke suchen, lesen und Leute beobachten und dann würde die Zeit sicher ganz schnell vergehen, waren ja nur 4,5 Stunden zu überbrücken. Da ich vom Flugzeugessen ausreichend versorgt war und weder Geld tauschen noch mich beim Mit-Euro-bezahlen über den Huckel schieben lassen wollte, setzte ich mich in die Starbucks Ecke, ohne etwas zu bestellen. Vorher beim Flanieren auf dem Flughafengelände sind mir schon eine Handvoll in weiß gekleideter alter Männer aufgefallen, die quasi nur einen Umhang trugen und Badelatschen. Vielleicht war es auch ein Bademantel. Auf jeden Fall mussten sie ihren Umhang vorne mit der Hand zusammenhalten und trugen in der anderen ihr Handgepäck, eine Herrenhandtasche. Die Frauen dazu trugen die in der Türkei sicher übliche Tracht: weißes Kopftuch, langer Mantel, geschlossene Schuhe. Wer weiß, welcher Religion die anhängen, dachte ich mir. Doch schon wenig später auf meinem unbequemen Stuhl bei Starbucks wurde aus der "Handvoll" eine handfeste Reisegruppe. Das weiße Tuch war nur lose um den Körper geschlagen, bei einigen war die nackte Brust zu sehen, alle trugen sie Badelatschen. Ich kam mir vor, wie in einem Saunaclub. Wer kann mich aufklären? Was sind das für Menschen, die mitten im Winter so tun, als ob sie in der Wüste säßen? Sie waren alle alte Menschen. Erst dachte ich, die Frauen würden standardmäßig hinter den Männern laufen, aber dann bemerkte ich, dass sie die gleiche gutmütige Gleichgültigkeit an den Tag legten, wie wahrscheinlich viele lang verheiratete Pärchen. Die Frauen liefen lieber mit den anderen Frauen zusammen und die eine oder andere half ihrem Mann liebevoll, den Wickelumhang fester um die Schultern zu ziehen. Als alle durch waren, wurde es langweilig und unbequem. Und da fiel mir ein, dass ich doch Business Class flog und deshalb ja wohl auch in Istanbul in die entsprechende Lounge gehen könnte. Wie sich herausstellte, hatte ich direkt neben dem Eingang zur Lounge "campiert". Ich marschierte also hinein und mich empfing ein riesengroßer zentraler Wartebereich, von dem aus mehrere einzelne Zimmer abgingen. Ein Meetingraum, ein Kinderzimmer, mehrere Fernsehräume, Toiletten, eine Moschee und wer-weiß-was-noch-alles. Ich suchte mir eine Sofaecke, von der ich den ganzen Raum überblickte und saß erstmal nur fasziniert da. Die Lounge war gut gefüllt. Einen Einzelplatz hat man nicht mehr bekommen, aber stehen musste keiner. Ich hatte mich zu einem einsamen Geschäftsmann mit Laptop gesetzt, weil es da so schön ruhig war. Das änderte sich leider bald, weil er mit 4 weiteren Geschäftsmännern verabredet war. Ein Blick aufs türkische Buffet verzauberte mich auch nicht gerade und so trank ich lediglich Kirschsaft und blätterte in meinen Zeitschriften. Wenig später räumten die Herren das Feld und die Sitzgruppe wurde von einer Türkin in Beschlag genommen, die mich 1. nicht fragte, ob noch frei war und 2. ungefragt den Fernseher hinter mir anschaltete (den ich vorher gar nicht bemerkt hatte) und irgendeine türkische Version von GZSZ in voller Lautstärke darbot, so dass ich bald von mehreren schmachtenden Türkinnen umgeben mich nicht mehr hinter meiner Zeitung verstecken konnte und die Flucht ergriff.
Leider erging es mir auch in der nächsten Sitzgruppe nicht anders. Irgendwelche Leute pflanzen sich rücksichtslos hin, wo es ihnen grade passt, benehmen sich wie zu Hause, schmeißen Nüsschen auf den Boden, nach dem Motto: Ich bin Business Class, ich darf das.
Rund 1 Stunde vor Abflug entschied ich mich, mich doch unter das normale Volk zu mischen und begab mich zum Abflug-Gate, wo ich zwar auch nur rumsaß, aber mich nicht mehr über die Snobs ärgern musste.
Die Krönung des Abends war dann der türkische Security-Check. Laptop rausnehmen? Flüssigkeiten separat packen? Gürtel abmachen? Jacke ausziehen? Fehlanzeige! Den ungläubigen Blick der Angestellten hättet Ihr sehen sollen, als ich meinen Koffer öffnen wollte, um die kritischen Sachen auszupacken. Die hat geguckt, als will ich ihr meine Unterwäsche vorführen. Als ich dann auch noch an meinem Gürtel nestelte, hat sie mich einfach schnell durch die Schleuse geschickt, als keiner aufgepasst hat, ob’s piepst oder nicht.
Ein bisschen beunruhigt war ich dann schon, ist es doch so jedem möglich, Sprengkörper, Messer und dergleichen mit an Bord zu nehmen. Aber gleich darauf fiel mir ein, mit wem ich flog: mit lauter Muslimen. Sollen die sich gegenseitig in die Luft jagen? Und selbst wenn, würde ein Terrorist einen so außergewöhnlichen Flug wie Istanbul-Almaty wählen, in dem garantiert keine wichtigen Leute sitzen?

Donnerstag, 25. Februar 2010

Business Class für Anfänger

Wie schön könnte fliegen sein, wenn man nur immer Business Class haben könnte. Bezahlt man einfach den 5fachen Flugpreis, muss man sich um Unterhaltung&Verpflegung überhaupt keine Sorgen mehr machen. In Düsseldorf trabte ich mit meinem doppelten Handgepäck, nachdem ich mein doppeltes anderes Gepäck eingecheckt hatte, schnurstracks in die "Open Sky Lounge". Weiß der Teufel, warum die so heißt, vom Himmel hab ich überhaupt nix gesehen. Eigentlich wollte ich auch nur mal einen Blick reinwerfen, weil ich es konnte und ansonsten mich wieder unters Volk mischen. Aber dann erst erschloss sich mir, was Lounge-Aufenthalt bedeutet: Es ist eine riesengroße gemütliche Sofa-Ecke, wo alle Zeitungen und Zeitschriften kostenlos ausliegen, es ein Buffett mit Essen gibt und alle Getränke auch for free. Und besonders voll war es auch nicht. Hier und da ein Geschäftsreisender, etwas öfter die obligatorischen stinkreichen arabisch aussehenden Familien, denen es nichts aus macht, die erste Klasse auch für ihre kleinen Kinder zu bezahlen und immer, wenn ein Flug zum Boarding aufgerufen wurde, kam die Empfangsdame herum und sagte demjenigen Bescheid, den es traf. Echt nett so'n Service, da könnte man sich dran gewöhnen.

Später dann im Flugzeug wurde der Klassenunterschied noch deutlicher. Wir waren 7 Business Class Reisende, ich als einzige Frau und wir hatten 3 Stewardessen nur zu unserer Verfügung.
Schon beim Einsteigen ins Flugzeug hatte ich Deutschland verlassen, denn Deutsch kann bei Turkish Airlines keiner mehr.
Nachdem wir unsere "Reiseflughöhe" erreicht hatten, gab's erstmal die obligatorischen warmen feuchten Tücher, wofür auch immer. Danach wurde mir eine Tischdecke aufs Tischchen gelegt und dann gab's ein dreigängiges Menü mit türkischen Häpperchen auf Pozellanschalen, Chicken Satay im Porzellanservice und Apfelstrudel. Also hab ich diesmal zwar viel CO2 ausgestoßen, aber kaum Müll produziert. Sogar das Besteck war in 2facher Ausführung durchweg aus Metall und Getränke aus Glas-Gläsern. Irgendwie wurde ich ständig gefragt, was ich trinken will und hab dann soviel Wasser getrunken, dass ich tatsächlich auf die Toilette gehen musste, die ich mit den 6 Männern zusammen hatte.
Das Schönste aber war wie immer der Blick aus dem Fenster. Als ich so dasaß mit meinem fürstlichen Menu auf dem Schoß und die Alpenlandschaft unter mir hinweg zog, da hab ich mich schon sehr erhaben gefühlt. Die weiß- und anthrazit-farbende Landschaft war so greifbar, die Berggipfel schienen so nah und alles sah so unberührt aus. Obwohl da natürlich auch viele Siedlungen zu sehen waren, hatte das alles etwas so Verletzliches und war dabei so atemberaubend schön. Jeder sollte sich von Zeit zu Zeit einen Blick von oben auf die Erde gönnen und dann nochmal überlegen, wieviel Müll und Umweltverschmutzung wirklich sein muss. Ich konnte gar nicht genug von der Ansicht bekommen und beugte mich dann erst einer Wolkendecke, die die Sicht versperrte.
Mit kugelrundem Bauch und viel Beinfreiheit machte ich mir so meine Gedanken über Luxus und mit welch kindlicher Freude ich mich für den Service begeistern kann. Und dabei fürchtete ich auch, dass man sich doch zu schnell an sowas gewöhnen könnte und verdorben wird und ganz schnell diesen Luxus einfordert. Gut, privat würde ich nicht den 5fachen Preis bezahlen, wenn ich auch mit nur halb so viel Annehmlichkeiten durch die Welt reisen könnte. Aber die wenigsten zahlen die Business Class selbst und benehmen sich doch, als hätten sie die Airline gekauft. Wollen wir hoffen, dass ich trotz dieser Geschäftsreisen weiterhin in der Lage sein werde, in Hostels zu übernachten.
Das Bordprogramm ließ leider sehr zu wünschen übrig, es gab nur diese Bildschirme für alle und da lief irgendeine britische Serie. Hinter mir in der Reihe saßen 3 Türken, die vom Getränkeangebot regen Gebrauch machten und zusehends lauter und lustiger wurden. Zum Glück gab's Kopfhörer mit Maximallautstärke.
Und dann waren wir auch schon fast da. Es waren ja nur 3,5 Stunden zu fliegen. Da es immer dunkler wurde gab's schön warm beleuchtete Strandpromenaden von Istanbul zu sehen. Dann nochmal ein warmes feuchtes Tuch und schon war ich wieder gelandet.

Montag, 22. Februar 2010

3 days to go

Also, für alle, die es noch nicht wissen:
Meine Firma schickt mich nach Kasachstan, um dort in der Tochtergesellschaft auszuhelfen. Auf meiner ersten Etappe werde ich mich 3 Monate in Almaty (früher Alma-Ata) befinden und neben Russisch-lernen und arbeiten hoffentlich Zeit finden, um auf den Khan Tengri (7010m) zu klettern, ein Pony-Rennen in der Steppe zu gewinnen, gegorene Kamel-Milch zu kosten und einem original kasachischen Karaoke-Abend beizuwohnen.
Am Donnerstag, 25.2. gehts los. Turkish Airlines über Istanbul.
Drückt mir die Daumen, dass meine 4 Koffer zusammen mit mir in Almaty ankommen.