Mein Osterwochenende ist zwar kürzer gewesen als Eures, aber dafür war es das schönste, was ich bisher hier erlebt habe.
Es begann mit frühem Feierabend und einem entspannten Weinchen mit Wiebke am Freitag. Am Samstagmorgen war ich bei Heikos zum vorgezogenen Osterfrühstück eingeladen mit frisch gefärbten Eiern und statt des angesagten Regens war es zwar bewölkt, aber freundlich. Außer mir war auch Aggj dabei, ein Kumpel von Heiko, der von hier stammt und außer Russisch auch Deutsch und Englisch spricht. Aggj ist in der Nationalmannschaft der Bergsteiger gewesen, hat jetzt allerdings einen verantwortungsvollen Job als Ingenieur und geht nur noch zum Spaß in die Berge. Die kennt er dafür in- und auswendig. Da ich keine Zeit damit vergeuden kann, bis jemand an mich herantritt, hab ich rundheraus gefragt, ob er mich mal mitnimmt auf eine Tour in die Almatiner Berge. Und wie es der Zufall wollte, war für Sonntag eine Tour geplant, trotz angesagten Regens. Treffpunkt 9Uhr an der Bushaltestelle.
Wenig später waren Wiebke, Aggj und ich mit Janna (1) unterwegs zum Einkaufen, weil Wiebke beim Klettergerüst-für-den-Garten-kaufen lieber einen Übersetzer dabei haben wollte. Und wo wir gerade mal dabei waren, haben wir danach (allerdings ohne Aggj) die Märkte in Atakent gestürmt. Wenn man Klamotten nicht in den furchtbar überteuerten Geschäften meines Mega-Centers kaufen kann, bleibt nur eine andere Möglichkeit: man geht nach Atakent. Hier gibt es ein unübersichtliches, schier unendliches Gebiet voller enger (grade mal Kinderwagen-Breite), überdachter Gassen und unzähligen 20qm-Lädchen, in die Klamotten bis zum Bersten reingestopft sind. Was auf den ersten Blick wie billiger Schund aussieht, entpuppt sich beim zweiten Hinsehen als wahre Fundgrube. Man findet nämlich gute Qualität und bekannte Marken mittendrin in den China-Importen. Umgezogen wurde sich in solch kleinen Lädchen hinter einem Vorhang, der dann die Hälfte des Laden verdeckte, übertriebenes Schamgefühl durfte man hier also nciht haben. Ich war froh, dass ich Wiebke dabei hatte als Übersetzer und Wiebke war froh, dass ich dabei war um auf Janna aufzupassen und so war uns beiden geholfen und wir verbrachten den ganzen Nachmittag bis Ladenschluss in diesem Labyrinth. Wenn ich eine Klamotte anhatte, ist Wiebke hinter Janna hergerannt und andersrum. Für mich war es mega-stressig, weil Janna natürlich nicht sehr geduldig war bei dieser für sie langweiligen Aktion und sie immer wieder beruhigt oder belustigt werden musste. Für Wiebke war es mega-entspannt, weil sie noch nie mit nur einem halben Kind einkaufen war, normalerweise hat sie ja 2 von der Sorte dabei.
Wenn man eins von den Mädels und Frauen hier lernen kann, dann, dass es keine Schande ist, sich weiblich zu kleiden. Gut, viele sind hier natürlich auch nah an der Model-Figur, aber auch die wenigen "Normalen" zeigen gerne, was sie haben in kurzen Röcken und engen Jeans. Und wenn man tagtäglich von solchen Outfits umgeben ist, kommt man sich 1. ganz schön mannsweibisch vor (ich bin ja der Jeans-und-Bluse-Verfechter im Büro und diese Jeans sind alles andere als hauteng) und 2. verliert man die Erinnerung, wie es in Deutschland aussieht und möchte sich anpassen. Gut, die hautenge schwarze Hose hab ich nicht gekauft, aber Röcke und Kleider, denn davon hab ich gar nichts mitgenommen aus Deutschland. Für die Schuhe hat leider am Ende die Zeit gefehlt, denn 18Uhr ist in Atakent schon Ladenschluss. Mit Schuhen ist es auch gar nicht so einfach, wenn man etwas unter 10cm Absatzhöhe sucht, das nicht nach Oma aussieht. (Also nichts gegen Oma, aber bei so schicken Kleidern brauchte ich auch Schuhe mit dem richtigen Statement)
Aber jetzt weiß ich ja, wie es geht und kann nächstes Wochenende wieder herkommen :-)
Was mich am meisten erstaunt hat: Die Verkäuferinnen haben einen untrüglichen Blick für die richtige Größe. Was in den Klamotten auf den Schildchen steht, ist oft irreführend. Sind die Sachen in China hergestellt, musste ich schon öfter in Elefantengröße steigen, kommen sie aus der Türkei, ist es schon eher mit einer deutschen Konfektionsgröße vergleichbar. Fragt man aber die Verkäuferinnen nach der seiner Größe, wird man erst man visuell eingeschätzt und dann kann man sicher sein, dass sie etwas heraussuchen, was wie angegossen passt. Dabei sehen sie selbst durchweg aus, wie aus dem Katalog entsprungen und wenn so ein Strich mit Fusseln beim Anprobieren an einem herumzuppelt und erstaunt feststellt, wie "unglaublich toll" diese viel zu enge Hose auf den Speck-Oberschenkeln klebt, kommt man sich schon reichlich verarscht vor. Aber sie sind alle unheimlich freundlich und beschäftigten sich auch gerne mit der gelangweilten Janna, damit wir beide gleichzeitig in den Ständern wühlen konnten.
Total geschafft kamen wir am frühen Abend aus den Märkten raus, brachten Janna nach Hause zu Heiko und sind noch zu zweit was essen gegangen. Danach bin ich allerdings so müde geworden, dass ich angesichts der morgigen Bergtour auf den Videoabend verzichtet hab und nur noch ins Bett wollte. Shoppingtour mit Kind ist wohl das Anstrengendste, was es gibt!
Als ich im Supermarkt mit meinen Leckereien für die Gipfeltour an der Kasse stand, bekam ich eine SMS von Aggj: Bergtour fällt aus, wegen Regen.
Fix&fertig und totunglücklich schleppte ich mich heim und verbrachte missmutig meinen Abend vor'm Fernseher.
Am nächsten Morgen sah es so gar nicht nach Regen aus, aber ich hatte keine Lust aufzustehen. Was würde mich schon erwarten? Bissl Putzen und ein Spaziergang... leider aber keine Bergtour. Ich wälzte mich bis 10 nach 9 im Bett herum, stand dann aber auf und als ich mein Handy anschaltete traf mich der Schlag: um 7 hatte Aggj geschrieben, dass der Regen nicht so schlimm wär, ob ich noch mitkommen wollte. Verdammt, ich hatte doch so eine komische Vorahnung gehabt. Schnell schrieb ich zurück, er war tatsächlich noch nicht unterwegs und wir verabredeten uns 10Uhr an der Bushaltestelle. Das ließ mir genau 45 Minuten, in denen ich mich anziehen, meine Tasche packen, frühstücken und zur Haltestelle kommen musste. Tja und siehe da, wenn man MUSS, geht alles. Meine einzige Chance, den Zeitplan zu schaffen, bestand im Hitchhiking-Taxi. Also Hand raus, Ziel und Preis nennen und mitfahren. Was ich bisher immer vermieden hab, weil ich keiner Diskussion auf Russisch gewachsen war, musste jetzt einfach klappen. Ich rannte vor zur Straße, hielt die Hand raus und prompt 2 Sekunden später hielt ein klappriges Auto mit mehrfach zersprungender Frontscheibe. Ich wackelte gleich mit einem 500er, damit ich mich auf keine Diskussion einlassen musste und offensichtlich war das so überbezahlt, dass er die Tour mit waghalsigem Tempo quittierte. Auf jeden Fall stand ich 5 vor 10 an der Haltestelle und platzte fast vor Stolz.
Aggj kam kurz darauf. Seine Leute hatten alle keine Lust bei dem Wetter und so waren wir nur zu zweit. Und gleich darauf gab's schon die nächste Premiere für mich: wir sind Bus gefahren.
30 Minuten später waren wir in den Bergen, es war trübe und wolkig, aber hat nicht geregnet. Durch Schlamm, Wiesen und weiter oben vereiste und schneebedeckte Pfade stiegen wir auf. Aggj immer vorneweg aber quasi in Zeitlupe, damit ich als untrainiertes Greenhorn auch hinterher kam. Zwischendurch fühlte ich mich ein bissl schuldig, dass so ein trainierter, erfahrender Bergsteiger jetzt wegen mir nicht sein Tempo machen kann, aber dann fiel mir ein, dass er mir ja nicht nochmal hätte bescheid sagen müssen.
Weiter oben wurde die Sicht immer schlechter, wir steckten in einer Wolke, die feinen Nieselregen produzierte und eine Sicht weiter als 100m nicht zuließ. Als der feine Nieselregen in Schnee überging, zogen wir uns wetterfest an und stapften emsig weiter nach oben. Der Schnee wurde immer dichter und windig war es dazu und das mit der Aussicht konnte ich getrost vergessen. Ich konnte nur nach unten schauen, um mich vor denm Schnee zu schützen und auf den Weg zu achten, denn ein Schritt neben dem Trampelpfad versank man wieder bis zum Hintern im Schnee. Zum Glück hatte ich von Heiko die Gamaschen bekommen, die sich als praktischer Bgleiter im Tiefschnee erwiesen.
Trotz den unwirtlichen Wetters begegneten uns immer wieder Wanderer und einer davon war zufällig Aggjs Bruder, der schon auf dem Rückweg war. Ein kurzer Wortwechsel und dann packte dieser seine Essenvorräte aus und übergab sie an Aggj. Ich wunderte mich, weil wir eigentlich vorher festgestellt hatten, dass wir genug zu essen dabei hatten und fragte Aggj, ob er das nur als Ballast genommen hat, weil er wegen mir so langsam gehen muss. Die Antwort war verlegen und ausweichend, also hatte ich wohl getroffen ;-)
Bei 2400m setzten wir uns unter eine dichte Tanne und machten Picknick mit Kuchen, Keksen, Äpfeln und Tee.
An die Besteigung des Gipfels war nicht mehr zu denken, der Schneesturm trieb einem die Tränen in die Augen und die Wege wurden immer schlechter. Und so entschieden wir uns, den langen Weg ins Tal jenseits der Berge zu machen.
Man muss schon ganz schön rennen, um bei solchen Schnee und bergab wieder warm zu werden und so schafften wir den für 3,5 stunden veranschlagten Weg in 2,5 Stunden und je weiter wir hinab kamen, desto weniger wurde der Schnee und dann war es nicht mal mehr Regen. Im Tal war es schon wieder so angenehm, dass einige Menschen Picknick veranstalteten.
Wir liefen bis zur nächsten Bushaltestelle und fuhren nach 6 Stunden Wandern zurück in die Stadt. Hier wurden wir von strahlend schönem Sonnenschein empfangen und die Berggipfel zeigten sich freundlich vor blauem Himmel über den Wolken. Man hätte sich vielleicht ärgern können, aber ich war so froh, mal rausgekommen zu sein und besonders beim Aufstieg mich mal wieder richtig schön verausgabt zu haben und vor allem die vielen anderen Hürden, die ich heute genommen hatte, dass ich total euphorisch im Sonnenschein herumsprang.
Ein Wochenende gefüllt mit Shoppen und einer Bergtour. Kann es etwas Schöneres geben?
PS: Und jetzt ratet, wie mein Montag begonnen hat? Ich bin im Rock(!) zur Arbeit und da ich im Rock keine 45-Minuten-Sturmschritt-Schuhe anziehen kann, bin ich im Taxi zur Arbeit gefahren. Für nur 1 Euro! Das Leben kann so einfach sein :-)
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