Samstag, 8. Mai 2010

Süd-Kasachstan: Taldybulak

Es stand wieder ein langes Wochenende an. Diesmal wurde der Feiertag vom Sonntag (Ende des 2. Weltkrieges vor 65 Jahren) mit einem freien Montag honoriert. Was gibt es also Schöneres, als dieses Wochenende mit ein paar Freunden in die Natur zu fahren?
Im Vorfeld hatten sich Claudia und Maryam um alles Organisatorische gekümmert, hatten ein Gästehaus ausgesucht, die Touren geplant und ein richtiges 3Tages-Programm ausgetüftelt. Ich hingegen hatte mich um die Zugtickets gekümmert.
Genau, unser Wochenende begann mit einer 12stündigen Zugfahrt im Schlafwagen. Freitagabend gegen 9 trafen wir uns mit Falk, dem vierten im Bunde, belegten ein 4er Schlafwagenabteil, das -oh Wunder- mit frischem Bettzeug und Handtüchern für jeden ausgestattet war. Die Toiletten waren allerdings typische Zugtoiletten (mit Öffnung aufs Gleis) und Duschen gab es nicht. Also ein Schlafwagen für Campingfreunde. Erstmal hieß es jedoch Hoch-die-Tassen und wir betranken unseren Feierabend mit klebrig-süßen Cocktails aus Flaschen, später Rotwein und lauter zug-tauglichen Knabbereien.
Da aber jeder eine anstrengende Woche hinter sich hatte, fielen wir nicht viel später auf unseren Betten um und versuchten im gleichmäßigen, aber trotzdem störenden Geratter des Zuges, ein wenig Schlaf zu finden.
So richtig gelang das keinem und so sahen wir alle am nächsten Morgen irgendwie gerädert aus. Aber das Gute war: am nächsten Morgen ist man schon da!
Bei schönstem Sonnenschein wurden wir am Bahnhof von Tjulkubas erstmal von einer unübersichtlichen Anzahl traditionell gekleideter Marktfrauen empfangen, die uns ihre selbstgebackenen Fladen, frisches Obst und Stutenmilch anboten. Aber wir hatten ja 3 Tage Vollpension vor uns, verzichteten also auf die nahrhaften Güter und bahnten uns einen Weg zu unserer Abholung.
Svetlana war schon vorher unser Kontakt gewesen, als es um die Planung ging und nun holte sie uns vom Bahnhof ab, um uns zu unserem Gästehaus zu begleiten. Wir fuhren noch etwa 20 Minuten mit dem Taxi und waren im Ort Zhabagly. Hier wohnten etwa 1500 Kasachen und Zentrum und Daseinsberechtigung des Ortes war das Verwaltungsgebäude des angrenzenden Nationalparks Aksu-Zhabagly, der verhältnismäßig viele Touristen in diese Gegend zog.
Unser Gästehaus war ein niegel-nagel-neues Gebäude gleich neben der Nationalpark-Verwaltung und da wir die allerersten Gäste waren, wurden wir bei unserer Ankunft von vielen offiziell aussehenden Leuten neugierig beäugt.
Das Haus hatte 5 Gästezimmer jeweils mit Bad, eine Küche und einen großen zentralen Ess-Saal. Eigentlich alles recht hübsch konzipiert. Unser Frühstück stand schon bereit, es war inzwischen fast 10Uhr und wir macht uns über frisch gekochten Milchreis und Brot mit genau abgezählten 4 Scheiben Wurst und 4 Scheiben Käse her.
Da Maryam als Muslimin kein Schweinefleisch aß und es uns anderen 3 egal war, haben wir künftig um halal Essen gebeten, was eigentlich kein Problem sein sollte, da die Kasachen ja auch alle Muslime sind.
Wir bezogen noch schnell unsere Zimmer mit geschmacklich fragwürdig bezogenen Betten und dann wartete schon unser Ranger, um uns auf das Hochplateau Taldybulak in den Alatau Mountains zu führen.
Nicht zum ersten Mal in Kasachstan fällt mir auf: Nationalparks dürfen überall nur mit Ranger betreten werden. Dieser Ranger ist nicht etwa ein Führer (obwohl er einem natürlich meist die richtigen Wege zeigt, denn Schilder gibt es keine), er passt vor allem auf, dass keiner den Nationalpark beschädigt, keine Steine einsteckt und keine Blümchen abrupft. Offensichtlich halten die Leute das hier für nötig, jeder Wandergruppe einen Aufpasser mitzuschicken. Dafür muss man als Tourist natürlich bezahlen. Eine gute Möglichkeit also, den Ortsansässigen einen Job zu verpassen. Blöd nur, wenn ebendieser Ranger im Laufe unserer Wanderung seine Bonbon-Papierchen in die Umgebung schnippst. Da merkt man mal wieder: Die Leute haben es einfach nicht kapiert, worum es geht.
Auch unsere Köchin, eine junge Frau aus dem Dorf, die jeden Tag unsere 3 Mahlzeiten herrichtete, war sehr bemüht, uns mit unserem bestellten Mittagessen zu versorgen. Aber ach, was macht man denn, wenn die unternehmungslustigen Touristen zum Mittag gar nicht im Dorf, sondern irgendwo im Nationalpark sind? Hm, man muss ihnen dieses Essen irgendwie mitgeben.... dachte sie sich wohl und wickelte den großen Emaille-Kochtopf mit irgendeinem Nudelgericht in eine große Plaste-Tüte. Ähm... tschuldigung? Wie sollen wir das denn den Berg hochkriegen? Verständnislose Blicke... da hatte sie natürlich nicht dran gedacht. Naja, im Rucksack halt. Moment mal, wer von uns soll denn bitte den großen, schweren, unförmigen Topf auf dem Rücken auf den Berg schleppen? Kann man das Essen nicht in Tupperdosen aufteilen? Tupperdosen gab es nicht und da der Topf in keinen unserer Rucksäcke passte, wurde er letztendlich dem Ranger in die Hand gedrückt und der musste nun unser unhandliches Essen den halben Tag umhertragen. Fühlten wir uns deswegen schlecht? Keineswegs! Wirklich keiner wollte dieses Topf schleppen müssen.
Aber nun ging es endlich los über üppig grüne Wiesen mit vielen Pferden und Kühen schritten wir auf die Berge zu. Nach der ersten halben Stunde machte unser Ranger den Vorschlag, doch jetzt Mittagspause zu machen. Anscheinend wollte er wirklich diesen Topf loswerden. Aber nicht mit uns. Wir hatten doch gerade erst Frühstück gegessen. Obwohl die Tour im Vorfeld mit Svetlana abgestimmt worden war und diese auch die ganzen Ranger und Eintrittsgenehmigungen usw. organisiert hatte, hieß das nicht, dass der Ranger nicht unterwegs versuchen würde, die Tour immer wieder zu seinem Vorteil zu verändern. Am liebsten natürlich durch kürzere Wege und früheren Feierabend. Fast an jeder Wegkreuzung machte er abweichende Vorschläge und es dauerte natürlich etwas, bis wir seine Absichten durchschaut hatten. Als der Wanderweg einen Fluss kreuzte, wollte er uns die Tour ausreden, aber wir waren schon dabei, unsere Schuhe auszuziehen und vorsichtig nach dem Untergrund tastend durchs eisige Wasser zu waten. Dies taten wir noch weitere 4 Mal, die Füße blau gestoßen von den fiesen Kieselsteinen und blau gefroren von der Kälte, so dass einem die Lust am Flusskreuzen wirklich verging.
Zwischendurch wurden wir aber immer wieder durch tolle Ausblicke, grüne Hügel, schöne Blümchen und vor allem warme Sonnenstrahlen verwöhnt.Irgendwann hörte der Ranger auf zu diskutieren und führte uns auf das auf 1000m gelegene Hochplateau Taldybulak. Hier endlich erlösten wir ihn von seinem Topf. Da wir uns auch noch geweigert hatten, schwere Porzellanschüsseln mitzuschleppen, aß einer vom Deckel und die anderen wühlten mit dem Löffel im Topf herum.Kaum oben angekommen, zogen sich die Wolken aber zusammen und bildeten eine dicke schwarze Wand.Und schon ging ein Gewitter los, das einem auf einer baumlosen Ebene wie dieser und zumal in dieser Höhe schon gefährlich werden könnte. Eilig begaben wir uns auf den Rückweg ins Tal, konnten aber den Blick von den fantastischen Wolkengebilden und Regenschleiern nicht abwenden.
Dort unten liegt das Dorf Zhabagly:Der Regen war zwar nicht sehr stark, aber dafür der Wind und der Donner und ich zählte immer fleißig die Zeitspanne zwischen Blitz und Donner, um dann freudig die Entfernung des Gewitters zu verkünden.
Der Abstieg führte uns die ganze Zeit über eine steile, nasse Wiese, weshalb jeder öfter als freiwillig auf dem Hosenboden über das Grad rutschte.
Und als wir unten waren, war das Gewitter vorbei und die Sonne blitzte schon wieder hervor.
Nach 7 Stunden erreichten wir wieder das Dorf, ließen uns noch den Kaufmann zeigen, wo wir uns mit landestypischen Getränken eindeckten.
Zurück im Gästehaus duschte ich ausgiebig und breitete mich in meinem Zimmer aus. Das Bad war zwar überall in lieblichem Blau gestrichen, allerdings nachdem die Armaturen eingebaut worden waren, weshalb also auch Dusche und Waschbecken blaue Spritzer abbekommen hatten. Auf Toilettensitze hatte man aus unerfindlichen Gründen ganz verzichtet und die Dusche stand vor Dreck, weil sie offenbar erst 1 Tag vorbei mit viel Mörtel eingesetzt worden war, der sich nun hartnäckig in der Duschtasse hielt.
Aber ich hatte ja noch Glück. Die Dusche bei den anderen leckte irgendwo, d.h. das ganze Badezimmer schwamm. Ein eilig herbeigerufener Klempner (als ob die Dorfbewohner dezidierte Berufe hätten), schaute sich die Sache an und wies dann Claudia daraufhin, dass sie wohl die Tür der Duschkabine nicht richtig geschlossen hätte. So sind die Leute hier. Bevor was gemacht wird, wird erstmal nach Ausflüchten gesucht, wie man die Anstrengung jetzt am besten umgehen kann.
Das Abendessen ließ eine Weile auf sich warten und leider hatte es die Köchin mit dem halal nicht so verstanden, denn wir hatten wiederum Schinken im Salat. Nochmal darauf hingewiesen, verstand sie unser Problem nicht. Und da fiel uns auf: Ja, Muslime sind sie hier schon, aber mit den Regeln nehmen sie es nicht so genau.

1 Kommentar:

  1. sucht deine firma noch leute, die in Kasachstan aushelfen?

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