Nach einer unruhigen Nacht in einem kalten, hellhörigen Holzhaus habe ich meine Morgenhygiene am provisorischen Waschbecken vorgenommen (das Wasser kaum aus dem Fluss, das Abwasser wurde in einem Eimer aufgefangen). Das Gute daran, wenn einem immer kalt ist, ist, dass man nix vollschwitzen kann und sich selbst nach einer Nacht in Klamotten frisch fühlt. Trotzdem war später im Auto irgendein unangenehmer Geruch anwesend...
Wir nahmen einen Familienangehörigen der Vermieterfamilie mit, den wir später auf dem Markt im nächsten Ort ansetzten. Vielleicht ist deshalb die Übernachtung im Nachhinein so preiswert gewesen.
Erstmal jedoch ging's zum größten und ältesten Baum im Eschenwald, der soll um die 500 Jahre alt sein:Nun stand uns eine lange Fahrt zum Nationalpark bevor, die wir jedoch durch gelegentliche Fotostops unterbrachen. Viele Fotos sind jedoch aus dem Auto heraus erstanden, weshalb man oft noch die Spiegelung der Windschutzscheibe sieht. Das Wetter war anfangs noch trüb und bedeckt, sollte sich aber im Laufe des Tages aufklaren und in einem wolkenlosen Sonnenuntergang enden. Ganz wie Sascha es vorausgesagt hatte. Aber der Reihe nach. Offenbar ist sonntags Markttag (wenn nicht sogar jeden Tag). Überall an den Straßen begegneten wir Menschen mit Transportmitteln, die Lebensmittel oder Tiere zum nächsten Ort verhalfen. So auch dieser putzige Eselskarren. Zu Fuß wäre der Mann eindeutig schneller gewesen, aber offensichtlich hatte er eine volle Ladung Hausstand dabei und so konnten sich die Eselchen nur in Minischritten vorwärts bewegen.
So nah an der chinesischen Grenze (nur 40km weit weg) ist das kasachische Militär überpräsent. Überall laufen Leute in grünem Camouflage herum, es gibt große Kasernen und diese überdimensionierten Lauscher:
Unseren ersten Zwischenstop hatten wir an dieser wunderschönen Spiegelung.
Dann hat uns Sascha am Anfang der Brücke über den Ile-Fluss rausgelassen und am anderen Ende wieder eingesammelt. Es war zwar immernoch kalt, aber die Sonne zeigte sich immer häufiger, die Aussicht war phänomenal weit und die kleinen plüschigen Wolken rundeten das Bild ab. Begeistert sprang ich auf der Brücke von einer Seite zur anderen. Okay, das Wasser war schmutzig grau, ebenso wie die Vegetation. Aber das war nunmal nicht zu ändern. Ich finde auch so hat die Landschaft ihren Reiz gehabt.
Hier sieht man im Hintergrund die Berge des "Dschungarischen Alatau", ein fast unberührtes Gebirge, das sich bis zu 4000m hoch erhebt. Den meisten ist wahrscheinlich nur der Dschungarische Zwerghamster bekannt, den man als Haustier halten kann. Hier jedenfalls wohnen seine Brüder und Schwestern.
Tja, nicht viel Möglichkeiten, wo man seine Kamera auf einer Brücke postieren kann. Da behält man sie doch lieber in der Hand ;-)
Am östlichsten Punkt unserer Reise, dem Dorf Koktal (25km von der Grenze entfernt, näher dürften wir ohne spezielles Visum jetzt auch nicht heran) wurde stilecht ein junger Bulle zum Schafott... ähh... auf den Markt geführt.
Hier wiederum ziehen 2 Esel einen Karren, auf dem 2 Menschen hocken, 2 Schafe liegen und 2 Jungrinder angebunden sind. Ein Mensch hat zum Glück Erbarmen.
Wir fuhren unendlich lange durch eine mineralhaltige Mondlandschaft, rechts am Autofenster hatten wir immer die Dschungarischen Berge, selbst weidende Tiere sah man hier wenig. Als Sascha anbot, er könnte jederzeit anhalten, wenn wir etwas genauer ansehen wollten, ließen wir uns das nicht zweimal sagen und hielten auf offener Strecke ohne erkennbare Sehenswürdigkeit einfach an, um uns mal die Beine zu vertreten, inzwischen war es schließlich fast Mittag. Immer wieder am Straßenrand auf einer Anhöhe waren Statuen von einheimischen Tieren zu finden, die teilweise zwar stark verwittert waren, dennoch aber dem steten Wind standhielten. Zufällig hielten wir jetzt auch noch am Steinbock, meinem Steinzeichen.
Unwirtliche Mondlandschaft mit Wolken:
Bald darauf fuhren wir auf einer Hochebene entlang, wo sich wieder mehr Viehzeug (also Pferde, Kühe und Schafe) tummelte. Und endlich haben wir auch mal Kamele gesehen, die ja angeblich hier so häufig sein sollen, zumindest wenn man das große Angebot an Kamelmilch im Supermarkt betrachtet. Laut Sascha war es eine kleine Sensation so früh im Jahr und so nah an der Straße diese Kamele vorzufinden. Sie sind nicht wild, sondern werden zum Grasen in die Steppe geschickt, wie die anderen Tiere auch. Trotzdem sieht man sie wirklich selten.
Gegen 14Uhr erreichten wir das Dorf Basschi, dem Tor zum Nationalpark Altyn-Emel. Hier waren ziemlich viele Menschen unterwegs, schließlich war heute der erste Tag des Nauryz-Festes, des Asiatischen Frühlingsfestes, das von der muslimischen Mehrheit der Kasachen ausschweifend gefeiert wird.
Junger Kerl auf jungem Pferd, ob das gut geht?Am Office des Nationalparks mussten wir warten, bis die Damen und Herren ihre Mittagspause beendet hatten. Inzwischen waren die meisten Wolken verschwunden und die Sonne wärmte herrlich die Luft. Im Schatten war alles nach wie vor gefroren, in der Sonne schmolzen jetzt Eiszapfen und gefrorene Nasen tauten auf. Ein paar Vögel zwitscherten, gelegentlich muhte eine Kuh, die an uns vorbeizog und ich hielt genussvoll mein Gesicht in die Sonne. Von mir aus hätten die noch länger Mittagspause machen können.
Dann aber kam eine Batterie wichtig aussehende Männer in Anzügen mit Schlips (erstaunlich, wie wichtig man sich selbst in einem klitzekleinen Nest am Rande eines unbekannten Nationalparks nehmen kann), die uns das Geld für Eintritt und Hotelübernachtung abknöpften und uns einen Begleiter zur Seite stellten, der beim Besuch des Nationalparks vorgeschrieben war. Später sollte sich herausstellen, dass dieser Mensch nicht etwa dazu da war, uns durch den park zu führen und etwas zu zeigen, sondern lediglich als Aufpasser mit im Auto saß. Die Anzahl der anwesenden Personen dort im Büro zeigte aber auch, wie stolz die Leute darauf waren, dass wir uns für ihren Park interessieren. Wir waren schließlich die ersten Besucher der Saison.
Leider ohne Mittagessen ging es dann sofort los. Sascha hatte es ziemlich eilig, schließlich lag noch ein weiter Weg auf unbefestigten Wegen vor uns, bis wir uns der ersten echten Sehenswürdigkeit des Tages näherten.
Wir fuhren ca 70km mit Tempo 20-30 immer Richtung Westen. Auf der einen Seite begrenzten die Ausläufer der Dschungarischen Berge die Steppe, auf der anderen Seite auch irgendwelche Hügel. Aber das erst am Horizont. Dazwischen war wirklich alles flach, kein Baum, kein Strauch, kein Wasser. Nur Steppe. Man denkt, es sollte ein Leichtes sein, hier ein paar wilde Tiere zu entdecken, da sie ja nichts zum Verstecken hätten. Aber weit gefehlt. Wilde Esel (Kulans) und Gazellen (Dzhejrane) waren so scheu, dass sie schon davonstoben, wenn sie unser Auto nur am Horizont auftauchen sahen. Das Einzige was ich von ihnen gesehen habe, waren wackelnde Punkte im Fernglas, die sich schnell entfernten. Ansonsten war bis auf ein paar verrückte Vögel, die uns ständig vor's Auto flogen und ab und zu einem Greifvogel nix zu sehen.
Wenn man so langsam durch die Gegend fährt und das Auto auch noch immer vor jedem Huckel abgebremst wird, verliert man schnell mal die Freude an der Natur. Da war also strahlender Sonnenschein da draußen und ich saß im Auto und bequem war das auch nicht, weil man so durchgeschüttelt wurde. Und wofür das Ganze? Ich wusste nicht mal genau, was unser Ziel für heute sein sollte. Nach über 2 Stunden Fahrt erreichten wir irgendwelche komischen Grabhügel, die, ähnlich wie die ägyptischen Pyramiden, Grabkammern für wichtige Leute enthalten haben sollen. Okay, sie waren uralt, aber wirklich zu sehen gab es hier auch nix. Als dann Sascha beim Anhalten etwas von 15Minuten Fotostop erzählte, kam ich mir endgültig vor wie auf einer All-inklusive-Altchen-Rundreise.
Nagut, die Aussicht war hinreißend, die Grabhügel lagen leicht erhöht und man konnte wunderbar weit in die Steppe gucken. Zusammen mit den Wolken und den Ausläufern des Ile-Flusses sah das schon echt toll aus. Soviel Nichts... das hatte mich schon in Australien begeistert.
Nach genau 15 Minuten ging es weiter. Unser nächstes Ziel war die Singende Düne. Ein Sandhaufen in der Steppe, der sich durch die gleichmäßigen Winde seit Jahren nicht bewegt und nicht abgetragen hat. Er ist 3km lang und 150 Meter hoch. "Singen" tut die Düne allerdings nur bei bestimmten Winden im Hochsommer. Dann kann man angeblich ein tiefes Brummen wie von einem großen Schiff hören.
Okay, Hochsommer hatten wir natürlich mal wieder nicht, aber am Schönsten (wie so vieles) sollte sie im Sonnenuntergang sein. Das verlangte Sascha wieder enorme Fahrkünste ab, weil es nämlich nicht mehr lange bis zum Sonnenuntergang war, wir aber noch eine Dreiviertelstunde weit fahren musste. Er hat es pünktlich geschafft und diese Düne war für mich das Highlight des Tages. Sobald das Auto anhielt, stürzte ich aus der Tür und machte meinem Bewegungsmangel Luft, in dem ich kurzerhand beschloss, den Dünengipfel zu erklimmen. 150m klingt vielleicht nicht hoch, aber wenn der Sand immer lockerer wird und das Mittagessen fehlt, kämpft man schon um jeden einzelnen Schritt. Die Stimmung und die Aussicht dort oben haben mich für jede ungeduldige Minute im Auto aber mehr als belohnt. Es war absolut nichts zu hören, der Wind war kaum noch vorhanden. Ich war ganz allein dort oben und um mich rum ein paar Berge, eine Handvoll Wölkchen und gaaaaanz viel Nichts, bestehend aus Steppe. Einmalig, unbeschreiblich wunderschön, einer dieser Momente, in dem man ewig verweilen mochte.
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