Samstag, 6. März 2010

Meine Wohnung: Zwischen Hupen, Hunden, Muezzin

Meine Block liegt wie gesagt am „Mega-Center“, meine Wohnung allerdings geht zu einem Kanalbett raus, das im Frühling das Schmelzwasser aus den Bergen ableitet, jetzt allerdings fast leer ist. Und ringsrum ist eine parkähnliche Anlage, die jetzt im Winter grau, schlammig und ungepflegt aussieht. Auf jeden Fall sieht der befestigte Weg auf beiden Seiten des Kanalbettes aus wie eine schöne Joggingstrecke. Davor führt noch eine schmale Straße entlang, die ebenfalls zum Mega-Center führt. Mehr habe ich noch nicht erblicken können, weil wir seit 3 Tagen in so fettem Nebel stecken, dass ich manchmal keine 10Meter weit gucken kann.
Meine erste Nacht im neuen Zuhause gestaltete sich erwartungsgemäß unruhig. Ich weiß gar nicht, warum ich der Meinung war, im 18. Stock hört man nicht mehr viele Straßengeräusche. Da das Mega-Center auch Kinos und eine Bowlingbahn beherbergt, war auf der „kleinen Straße“ vor meinem Fenster fast die ganze Nacht lang Betrieb. Die Autos stehen hier Schlange, um wieder auf die Hauptstraße zu kommen und jeder ungeduldige Kasache setzt sich auf die Hupe. Also ist im Prinzip Tag und Nacht von verschiedensten Hupmelodien unterlegt. Hinzu kommt, dass hier die meisten Autos mit fernbedienter Alarmanlage ausgestattet sind, die ein freundliches Piep von sich geben, wenn sie ausgeschaltet werden und ein Piep-Piep, wenn sie eingeschaltet werden. Das ist hier der absolute Renner. Autos, die nicht piepen, wenn sich der Besitzer nähert, sind absolut in der Unterzahl. Was schon tagsüber absolut nervig ist, bringt einen nachts einem Mord nahe. Aber das Gepiepse war schnell vergessen, als der örtliche Streundende-Hunde-Klub seine Hauptversammlung in die nette Parkanlage am Kanal verlegte. Ich bin unzählige Male von Hundegebell wach geworden. Und zwar nicht nur von einem Hund, sondern es muss eine ganze Meute gewesen sein, die irgendwas auszudiskutieren hatten. Ich hab wenig Hoffnungen, dass dies nicht jede Nacht so sein wird…
Und als wenn das nicht alles schon störend genug war, wurde ich irgendwann in der Frühe von gar lieblichem Gesang geweckt, bei dem ich dachte, er käme aus der Nachbarwohnung. Aber nein, später, als sich der Nebel etwas verzogen hatte, habe ich das Minarett entdeckt, durch das weithin hörbar fromme, muslimische Botschaften verbreitet werden.
Das Innere der Wohnung stellt höchste Anforderungen an meine Putzkünste. Die Wohnung wurde seit dem Auszug der schwarzhaarigen Vormieterin offenbar nicht gereinigt. Ich erspare Euch die Details über den Verschmutzungsgrad von Wohnräumen in hygienisch flexiblen Bevölkerungsgruppen. Aber auch die kasachische „Mehr-schein-als-sein“-Mentalität ist wie überall zu finden. Die Dusche kann zwar 360Grad Wasser spritzen, aber wenn man drinsteht, knarkst sie, dass man Angst hat, der Boden bricht durch. Die Steckdosen kommen einem schon beim Angucken entgegen. Das Laminat wurde freizügig auf Lücke gelegt, die Fenster sind zwar doppelt verglast, schließen aber nicht richtig, die Einbauküche ist regelrecht zusammengeschissen, rechte Winkel und ebene Fläche schienen strikt zu vermeiden gewesen usw. Es ist unfassbar, dass diese Innenraumarbeiten irgendwann mal von einem Bauherren abgenommen wurden.
Meine Waschmaschine hab ich leider nicht zum Laufen gebracht, die zeigt eine Fehlermeldung, deren Hintergrund sich mir nicht erschließt. Und wie auch im Büro haben Heizungen grundsätzliche keine Regler. Man kann sie nur an oder aus machen. Dazwischen gibt es nichts. Schließlich kann man ja das Fenster aufmachen, wenn einem zu warm ist. Und genauso wird in Kasachstan auch die Innenraumtemperatur geregelt. Keiner hat auch nur den Hauch eines Zweifels daran, dass das richtig so ist.
Trotz allem bin ich froh, nicht im Hotel leben zu müssen. Ich werd mir meine Wohnung schon zurecht machen. Heute habe ich 3 Stunden geputzt. Jetzt ist es so langsam auszuhalten. Ich werde aber wohl weiterhin in meinem eigenen Schlafsack schlafen…

2 Kommentare:

  1. Ha. li. Hu.,

    hab` ich´s mir doch gedacht, daß Du mit "Gästebuch" die Kommentare meinst. Nun, dann sollst Du auch welche kriegen:
    Auf eine Formulierung, wie "hygienisch flexible Bevölkerungsgruppe" wäre ich mein Leben nicht gekommen. Schön p.c. ausgedrückt, und trotzdem hat man als Mitglied Deines Kultur- und Familienkreises sofort Entsprechendes in der Vorstellung und bekommt ein Erpel-Kostüm vom Nur-dran-denken.

    Liebe Grüße von D.T.S.

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  2. Juhu, noch ein Kommentar :-)
    Ja, dann frag doch mal Deinen Bruder, wie er diesen fantasievollen Ausdruck fand...
    Freut mich, dass Ihr alles "miterleben" könnt.

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